Eine Therapie, die sehr umstritten ist, da sie von manchen Therapeuten so eingesetzt wird, um Patienten Medikamenten wie Opioide zu verweigern. Was ist der Kern der Therapie? Praktizieren wir das nicht schon? Was können wir mitnehmen?

Die Akzeptanz- und Commitment-Therapie

Die Akzeptanz- und Commitment-Therapie ACT ist laut meiner Recherche auf Sozialen Medien oft Anlaß für Konflikt, sowohl zwischen Patient und Arzt als auch unter Betroffenen.

Das Akzeptanz- und Commitment-Therapie-Verfahren ist eine zeitgemäße Weiterentwicklung der kognitiven Verhaltenstherapie. Letztere war über lange Zeit Zur Behandlung des Fibromyalgie-Syndroms empfohlen. Sie fußt auf der Praxis der Achtsamkeit und verbindet die aktuellsten psychologische und neurophysiologische Forschungsergebnisse mit traditionellen, fernöstlichen Meditationsmethoden.

Die Akzeptanz- und Commitment-Therapie („act“ als ganzes Wort gesprochen, wie das engl. Wort „act“ für Handeln) wurde vom amerikanischen Psychiater Steven C. Hayes in den 1990er Jahren entwickelt.

Was ist sie?

ACT ist ein verhaltensanalytischer Therapieansatz mit dem Ziel, Vermeidungsverhalten bezüglich unangenehmer Erlebnissen abzubauen („Acceptance“) und engagiertes und wertebezogenes Handeln („Commitment“) aufzubauen.

Was bedeutet das? Wir haben chronische Schmerzen. Wir kommen aber nicht wirklich weiter, wenn wir uns dagegen auflehnen, unseren Körper dafür hassen, den Sinn unseres Lebens deswegen in Frage stellen. Es geht darum zunächst zu akzeptieren was ist. Der nächste Schritt ist, uns darüber klar zu werden, was uns wichtig ist. Zum Beispiel in unserem Umfeld, in unserer Partnerschaft, in unseren Beziehungen, im beruflichen Umfeld, im Rahmen unserer Fähigkeiten. Was wollen wir innerhalb dieser Werten tun und was davon ist möglich, oder wie können wir es möglich machen?

Die Opioid-Krise

“Die USA haben seit dem Jahr 2000 durch die Opioid-Krise so viele Menschen verloren, wie für das Land im Zweiten Weltkrieg gefallen sind. Das Weiße Haus schrieb in einer Pressemitteilung, dass in diesem Jahr jeden Tag rund 130 Opioid-Süchtige gestorben sind, seit 2017 insgesamt 47.600 US-Amerikaner. Wer eines nicht natürlichen Todes gestorben ist, war meist opioidabhängig, in der Statistik für vorzeitige Todesfälle ist dies die häufigste Ursache.” Das Weiße Haus hat die Bekämpfung der Opioid-Krise zur Chefsache erklärt..” Deutschlandfunk 31.12.2019

Ursprünglicher Sinn der Opiate

“Das Gehirn setzt körpereigene Opiate ein, um beim Auftreten großer Schmerzen oder Panik einen Zustand der Euphorie hervorzurufen. Von außen zugeführte Opiate ermöglichen lediglich, diese natürliche Reaktion in einen mehr oder weniger permanenten Zustand zu überführen: eine Form der Dauerkriegsbereitschaft.” Anjana Shrivastava aus dem Artikel Der »Ground Zero« der Opioid-Krise

Konfliktpotential

Einige Patienten, die Opioide gegen ihre Schmerzen einnehmen, erleben jetzt, dass das Medikamentieren sehr viel restriktiver gehandhabt wird. Sie sagen, sie kommen gut mit den Schmerzmitteln klar. Sie erleben es so, dass man ihnen davon zu überzeugen versucht, dass sie sich die Schmerzen mit Therapiemethoden wie ACT auch “wegreden” könnten, gegen die sie jahrelang Schmerzmittel eingenommen haben. Ich kann verstehen, dass das nicht einleuchtet. Es scheint hier um ein Alles-oder-Nichts-Strategie zu gehen. Zunächst werden Opioide häufig und viel verschrieben gegen Krankheiten, für die sie gar nicht gedacht sind, z.B Spannungskopfschmerzen, und dann soll keiner mehr sie bekommen.

Weniger Schmerz!

Ab einem bestimmten Schmerzniveau ist der einzige Gedanke: Ich will diesen Schmerz loswerden oder ich halte ihn nicht mehr aus. Dabei ist es sehr schwer darüber nachzudenken, was unsere Werte sind und was wir für Veränderungen in unseren Leben bewirken wollen außer: Weniger Schmerz! Also her mit den Medikamenten – oder?

Vor langer Zeit war ich in stationärer Therapie. Die Diagnose Fibromyalgie war noch nicht gestellt. Eines Abends bekam ich sehr starker Schmerzen und Krämpfe im Nacken. Ich hatte das Gefühl die Kontrolle über mich selbst zu verlieren. “Das ist die Angst” sagte ein Mitpatient und tatsächlich spürte ich die Angst in mir hochsteigen. Die sprichwörtliche Angst im Nacken.

Das hört sich vielleicht relativ harmlos an. Ich war absolut verzweifelt und kurz davor, aus dem Fenster zu springen. Die Notärztin kam, hatte aber keine Medikamente im Gepäck, sondern ein Gespräch. Sie sprach mit mir über alles Mögliche und vor allem stellte sie Fragen, die ich fast automatisch antwortete. Während dessen massierte sie meinen Nacken mit einer Chillisalbe.

Mit der Zeit gingen die Schmerzen zurück auf ein erträgliches Niveau. Das Ereignis blieb in der Qualität der Schmerzen und Angst eine negative Erinnerung. Ich habe sogar die Kleidung weggeschmissen, die ich dabei anhatte. Dennoch finde ich es bemerkenswert, was das Sprechen bewirken konnte.

Für Schmerzen im Nacken hatte ich durchaus auch mechanische Ursachen, denn ich hatte bis dahin einige Verkehrsunfälle erlebt.

Das soll nicht heißen, dass Schmerzen sich generell durch Reden reduzieren lassen. In diesem Fall war es tatsächlich so.

Wie sieht es in Deutschland mit einer Opioidkrise aus?

Politker der Partei “Die Linke” Niema Movassat, der wissen wollte, ob es eine ähnliche Opioidkrise in Deutschland wie in USA gibt, wägt ab: “Es ist ein Stück weit eine Gratwanderung, einerseits das Missbrauchs- und Abhängigkeitspotenzial der Opioide behutsam zu berücksichtigen, und andererseits Schmerzpatienten die notwendige Schmerztherapie nicht vorzuenthalten.”…. “Auch wenn in Deutschland die Verschreibung von Opiaten viel stärker reglementiert ist. Mit der fortschreitenden Ökonomisierung des Gesundheitssystems steigt die Gefahr, dass Profitinteressen der Pharmaindustrie zulasten der Interessen von Patienten weiter in den Vordergrund rücken.”

Sind Opioide für die Behandlung chronischer Schmerzen geeignet?

Vorneweg muss das meines Erachtens eine vom Arzt und Patient auf Augenhöhe getroffene individuelle, situations-angepasste Entscheidung sein. Hierbei ist es enorm wichtig, dass eine gute Vertrauensbasis vorhanden ist.

Mein Verständnis ist so, dass es chronische Schmerzen eigentlich nicht geben dürfte. Ich meine das so, akute Scherzen sind ein Warnsignal des Körpers, der sagt: Hier ist was nicht in Ordnung, ein System ist verletzt und bedarf dringend Aufmerksamkeit. Wenn Schmerzen dauerhaft sind, auch wenn die ursprüngliche Ursache nicht mehr da ist, besitzen sie keine Warnfunktion mehr.

Schmerzmittel sind auch nicht für den Dauergebrauch konzipiert worden. Opiate kommen zum Einsatz gegen Tumor bedingte Schmerzen. Dabei ist die Dauer begrenzt, entweder der Tumor wird behandelt z.B. operativ entfernt mit anschließender Chemotherapie oder die Therapie versagt und der Tumor führt zum Tod.

Also hieße die Antwort “Nein!”. Leider ist das nicht so einfach.

Ich kenne einige Fibromyalgie-Betroffene, die eine Opioid-Entzug durchmachen mussten.

Opioide waren für mich nicht die richtige Behandlung

Nachdem ich die Diagnose Fibromyalgie gestellt bekommen habe, habe ich jahrelang Schmerztabletten eingenommen. (Anti-entzündliche NSARS und Opioide). Sie linderten meine Schmerzen nicht, aber sie hatten eine ganze Menge andere Wirkungen. Ich fühlte mich als hätte jemand anderer die Herrschaft über meinen Körper genommen. Mit den Dauerschmerzen ist das so ähnlich, das gebe ich zu.

Dennoch fand ich es noch schlimmer, denn ich hatte weiterhin Schmerzen und noch stärkere Konzentrationsstörungen, noch schlimmere Verdauungsstörungen, Magenschmerzen, Übelkeit, mehr Kopfschmerzen, Sehkraftschwankungen, u.v.m. Dagegen nahm ich andere Medikamente wie z.B: Magensäureblocker, Tropfen gegen Übelkeit; Durchblutungshfelfer, usw… Irgendwann, nahm ich so viele Medikamente, dass mir klar wurde, sie machen mich noch kränker. Ich hörte auf sie zu nehmen, was sich einfacher schreiben lässt, als es war zu tun. Ein Mitarbeiter vom Versorgungsamt schloss daraus, dass ich keine Schmerzen mehr habe, weil ich die starke Schmerzmedikamente nicht nehme. Inzwischen herrscht darüber Einigkeit, dass Schmerzmittel bei vielen Fibromyalgie-Betroffenen nicht wirken.

Der Weg eines jeden Schmerzpatienten ist mühsam und individuell

Mittlerweile leide ich unter Lichen sclerosus. Schmerzmittel verursachen bei mir zusammen mit vielen anderen Nebenwirkungen sehr gravierende Verstopfung. Aufgrund des Lichen sclerosus schmerzt der Stuhlgang wie eine Geburt und alles reißt auf und blutet. Ich kann also keine orale Schmerzmittel, die über das Verdauungssystem gehen, nehmen.

Zur Zeit leide ich unter einem akuten Bandscheibenprotrusion – diesmal so schlimm wie noch nie. Das schränkt zusätzlich ganz enorm ein. Ich muss alternative Linderungsmethoden suchen. Diesen Beitrag habe ich nicht vollständig unter diesen Schmerzen geschrieben sondern vor langer Zeit angefangen. Wenn man Pläne macht, kommt das Leben dazwischen. Ehrlich gesagt, habe ich ein bisschen den Faden verloren. Ich habe versucht, das Beste daraus zu machen.

Ob Opoide oder andere starke Schmerzmittel genommen werden oder nicht, praktizieren wir alle bereits eine Art Akzeptanz- und Commitment-Therapie ohne es zu wissen, weil wir ohne nicht weiterkommen würden.

Ich absolviere einen Fernlehrgang über Achtsamkeits-Coaching. Im Grunde ist das wohl eine Art Akzeptanz- und Commitment-Therapie. Das ist nur ein kleiner Ast auf einem großen alten Baum. Es ist nicht so, dass meine Schmerzen dadurch verschwinden. Es ist ein Versuch.

Meine Empfehlung

Wer sich etwas eingehender mit dem Thema ACT beschäftigen möchte, kann ich den Deutschlandfunk Nova Podcast: Achtsam empfehlen, die Folgend vom 02. und vom 09. Juni, 2022. Die Beiträge sind journalistisch und wissenschaftlich fundiert. 


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Quellen:

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