Fibromyalgie und Partnerschaft – Teil 1
Gib deinem Partner*in die Chance zu sehen, dass du nicht nur Fibromyalgie oder eine andere chronische Krankheit bist.
“In guten und in schlechten Zeiten.”
Kommunikation
Es stellt sich heraus, dass die häufigste Antwort “Kommunikation” war, als viele Fibromyalgie-Betroffene gefragt wurden, wie sie den Umgang mit einer chronischen Krankheit gut in ihrer Beziehung integrieren können. Hände hoch! Wer war überrascht? Und rate mal, was ein wiederkehrendes Problem in meiner Beziehung zu meinem Mann ist: Ganz klar – Kommunikation! Es gibt die üblichen Stolpersteine in der Kommunikation zwischen Männern und Frauen, aber sag mal: Funktioniert die Kommunikation in gleichgeschlechtlichen Beziehungen besser?
Fibromyalgie und Partnerschaft. Geht das zusammen? Unsere Krankheit kann eine Zerreißprobe für unsere Partnerschaft sein. Wir können was dagegen tun.
Bausteine
Hast du als Kind mit Bausteinen gespielt? Warst du jemals so frustriert, dass du das, was du mühsam gebaut hast, zerschlagen hast und alle Steine auf dem Boden lagen? Als du wieder mit dem Bauen begonnen hast, hast du dasselbe aufgebaut oder etwas anderes? Wir erleben was Ähnliches im Moment. Covid-19 rauscht durch unser Leben wie eine Abrissbirne – unsere Gewohnheiten, einige unserer Rituale und vieles, was selbstverständlich war, wird auf den Kopf gestellt. Wir sind gezwungen, vielleicht haben wir auch die Chance, viele dieser Gewohnheiten zu prüfen und können uns fragen, ob wir wirklich all diese Bausteine brauchen.
Genau das machen chronische Krankheiten mit uns. Und das betrifft nicht nur uns alleine, sondern unsere Partnerschaft und unsere Familie. Im Verlauf einer Beziehung entwickeln wir Gewohnheiten, tägliche Strukturen – ein gemeinsames Leben. Chronische Krankheiten zerschlagen all das. Wir müssen unsere Bausteine ansehen und schauen, was wir zusammen daraus machen können. Wenn eine Person in einer Partnerschaft erkrankt ist, ist das eine große Herausforderung. Manchmal sind beide krank. Das führt nicht automatisch dazu, dass sich beide gut verstehen können. Letztendlich sind immer beide betroffen, denn die Krankheit ist in deinem Körper, aber es ist im Leben von beiden.
Mein Mann und ich sind beide großartig im Annehmen. “Ich nahm an, dass du es wüsstest …”, “Ich nahm an, dass du an … denken würdest”, “Ich nahm an, dass du das erledigen würdest.” (sehr häufig) An dieser Baustelle werden wir noch eine Weile beschäftigt sein. Gestern sind wir nachmittags in ein Café gegangen, um ein paar Dinge zu besprechen. Erstens, weil heute der erste Tag eines „Lockdown Light“ in Deutschland ist und alle Restaurants und Cafés mindestens einen Monat lang geschlossen sind. Zweitens, weil neue Gedanken nicht immer in alten Umgebungen auftauchen.
Disclaimer
Hoffentlich ist jetzt klar, dass ich nicht in einer perfekten Beziehung lebe. Deshalb biete ich dir diese Erkenntnisse nicht als diese Person oder als professionelle Therapeutin an, sondern ich teile meine Erfahrungen und einige meiner Erkenntnissen aus Recherche, darüber, wie wir das Leben ein wenig einfacher gestalten können in einer Beziehung mit Fibromyalgie.
Mißverständnisse
Es gibt viele Missverständnisse zwischen uns bezüglich des alltäglichen Umgangs mit Fibromyalgie. Mein Mann machte mich auf die Löffeltheorie, aufmerksam. Er entdeckte sie auf der Blogseite einer seiner Kolleginnen, die chronisch erkrankt ist. Ich habe aber oft nicht den Eindruck, dass er im Alltag an meine “Löffeln” denkt. Ich wiederum niege oft dazu, eine Feststellung von ihm gleich als Kritik zu deuten.
Reden ist gold
Anstatt davon auszugehen, dass der Partner*in weiß, wie du dich fühlst, und zu erwarten, dass er/sie entsprechend handelt, denke und erlebe ich, dass es eine viel bessere Idee ist, einfach zu sagen, was los ist. Hier liegt die Betonung auf „einfach“ also eindeutig. Natürlich hat dein Partner*in ein Leben mit den eigenen individuellen Herausforderungen, die sich auf die Fähigkeit zu verstehen und zuzuhören auswirken. Die Kommunikation sollte zweispurig sein. Wenn du feststellst, dass sich dein Partner nicht so gut fühlt und nicht zu einem intensiven Gespräch bereit ist, erklär einfach das momentane Gefühl, damit ihr beide wisst, wo ihr gerade steht. Wenn es die Möglichkeit gibt, sich Zeit zu nehmen und offener zu sein, tut es. Erzählt und hört zu. Wir haben ein Codewort für Situationen ausgemacht, wo einer von uns nicht reden kann oder will – „Tannenzäpfle“. Seitdem wir das ausgemacht haben, haben wir es nicht gebraucht.
“Krankheiten, besonders langwierige, sind Lehrjahre der Lebenskunst und der Gemütsbildung.”
Novalis 1772-1801
Wertschätzung
Gib deinem Partner*in die Chance zu sehen, dass du nicht nur Fibromyalgie oder eine andere chronische Krankheit bist.
Ja, dein Leben muss darum herum navigiert werden, aber das ist noch nicht alles. Halte diesen anderen Teil von dir – deine Ideen, die Impulse, die du erfährst, deine Gedanken, deine Meinung zu anderen Angelegenheiten – am Leben und fördere ihn. Ich weiß, dass diese Art von Vorschlag einen buchstäblich erschlagen kann, und ich weiß sehr gut, dass es Zeiten gibt, in denen Symptome dein Leben so stark dominieren, dass du es einfach nicht schaffst, in andere Richtungen zu denken und zu agieren. Aber gib nicht auf, es zu versuchen. Es kann für deine eigene Identität so wichtig sein, immer wieder bewusst zu werden, dass du nicht nur eine Krankheit bist. Ja, die Krankheit ist in dein Leben gekommen und ist fast wie eine dritte Person in der Beziehung. Dazu noch sehr bestimmend. Was man unternehmen kann, was man isst, was man zuhause bewältigen kann und vieles mehr, hängt nun von ihr ab. Dennoch überlasse ihr nicht die Alleinherrschaft über dich und deiner Beziehung.
Wenn der Fokus ständig auf deiner Krankheit liegt, ist dies eine massive Belastung für eine Beziehung. (Und auch für dich)
Es gibt andere Gemeinschaften, in denen Du Erfahrungen über deine Krankheit austauschen kannst. Selbsthilfe Links
Wie ich bereits erwähnt habe, hat jede(r) Einzelne unterschiedliche Erfahrungen, die die Art und Weise beeinflussen, wie er/sie Dinge wahrnimmt. Es hilft, sehr eindeutig zu sein, wenn du über deine Gefühle und Bedürfnisse sprichst.
Du verdienst es eine Person bei dir zu haben, die sich mit deiner Krankheit auseinandersetzen und dich so akzeptieren kann, wie du bist, und natürlich sollte dein Partner*in sich auch akzeptiert fühlen. Das kann schwierig sein, egal ob ihr viele Jahre zusammengelebt habt und dann plötzlich eine Person krank wird, oder ob du eine Beziehung mit jemandem beginnst, der chronisch krank ist. Es gibt viele Stolpersteine, über die ihr fallen könnt. Wir stolpern immer wieder.
Zusammen
Ich lernte meinen Mann kennen, als ich bereits krank war. Ich war alleinerziehend und hatte seit einer Weile keine Beziehung mehr. Nachdem ich meine Diagnose erhalten hatte, rechnete ich auch nicht mehr damit, in einer zu sein. Mein Mann recherchierte ein wenig und stellte mir einige Fragen. Aber ich konnte genauso wenig in die Zukunft schauen wie er. Wir machten uns auf den Weg und stießen auf rauen See. Wir hätten aufhören können, und es gab Zeiten, in denen wir dachten, wir hätten es tun sollen. (Jeder nicht zur gleichen Zeit – was es noch schwieriger macht). Wir segeln immer noch und ich glaube, ich habe ungefähr drei Schwimmwesten an.
Aber die Sache ist die, wenn dein Partner dich nicht so akzeptieren kann, wie du mit deiner Krankheit bist, wird es wahrscheinlich nicht funktionieren.
Da es schwierig ist zu erklären, wie sich eine Krankheit anfühlt, kann es hilfreich sein, auf Informationsquellen über deine Krankheit hinzudeuten. Vielleicht sogar gemeinsam einen Fach-Kongress zu besuchen.
Ich erinnere ich mich an den Ehemann einer der Teilnehmerinnen aus meiner Selbsthilfegruppe. Er sagte, er habe seine Frau zu einer Begutachtung begleitet und keine Ahnung von vielen Dingen gehabt, über die gesprochen wurde. Er erkannte, dass er nicht wirklich wusste, was seine Frau erlebte, weil sie funktionierte. Sie lebten also zusammen, aber er wusste nicht, wie es ihr geht.
Aber oh ja, es gibt ein “aber”, wir haben es schon einmal gesagt, oder? Jeder Mensch ist ein Individuum, das auf unterschiedliche Weise wahrnimmt. Wenn ihr also an einem Kongress teilgenommen habt und du denkst, mein Partner*in weiß jetzt genau, was ich meine, wirst du möglicherweise überrascht sein. Überrascht darüber, was er/sie für sich aus den gesammelten Informationen herausnimmt. Der gemeinsame Besuch eines Kongresses ist ein Baustein, der Teil eines Gesamtbildes sein muss.
Hast du dich schon mal schuldig gefühlt, wie sich deine Gesundheit auf die Beziehung auswirkt? Partnerschaft bedeutet zusammen. Beide müssen also herausfinden, was funktioniert und was nicht, und diese Probleme gemeinsam angehen. Wenn eine Beziehung gesund ist, sollten beide ein tiefes Interesse daran haben zu erfahren, was der/die andere durchmacht.
Ich sehe dich
Mein Mann und ich waren in der Vergangenheit oft nicht die größten Helden. Nicht zuletzt, weil wir uns beide entweder schuldig fühlten, oder fast das Gegenteil davon, so in unsere täglichen Konflikte verwickelt, dass wir uns nicht in der Lage fühlten, den Kopf zu heben und zu sehen, was mit dem Anderen passiert. Dies kann zum Rückzug führen und das Leben wirklich hart und einsam machen.
Ich bin sicher, dass eine wichtige Tugend für eine Beziehung Geduld sein muss. Ein Beispiel ist eben, wenn du das Gefühl hast, dass dein Partner*in überhaupt nicht mitbekommt, wie es dir geht, und nicht auf deine Bedürfnisse reagiert und du dies sofort verurteilst. Das hilft nicht. Hier kann sich Arbeit an eure Kommunikation auszahlen.
Du bist nicht nur Fibromyalgie, mehr noch die Beziehung darf nicht nur Fibromyalgie sein, weil dein Partner*in auch Probleme hat, mit denen er/sie sich befasst. Vielleicht hat er/sie auch psychische oder physische Gesundheitsprobleme. Schlechte Tage werden beide haben. Aber genauso wie es in einer Selbsthilfegruppe nicht darum geht, im Kreis zu sitzen und zu stöhnen und zu vergleichen, wie schlecht ihr euch fühlt, geht es auch nicht darum in eine Beziehung. Wir sollten überlegen, wie wir uns in solchen Situationen gegenseitig helfen können und manchmal anerkennen, dass wir es nicht können. Es ist jedoch sehr wichtig für beide zu wissen, dass sie gesehen werden.
Danke sagen
Wie du vielleicht zu sehen beginnst, dreht sich alles um überlappende Kreise, alles wirkt sich auf alles andere aus. Bleib dir selbst treu. Nimm ruhig Änderungen vor, aber verlier nicht deinen Kern. Wenn Du dich nur als krank betrachtest, wird dich dein Partner*in auch so sehen. Und obwohl du manchmal möchtest, dass die Menschen anerkennen, dass du krank bist, anstatt dir nicht zu glauben, möchtest du dennoch dein individuelles Selbst bewahren, zu dem du dein ganzes Leben lang herangewachsen bist. Alle deine Erfahrungen haben dich geformt. Du bist nicht nur krank. Es ist schwierig – jeden Tag von neuem.
Am Anfang unserer Beziehung habe ich mich von der Krankheit sehr eingeschränkt gefühlt, ich hatte das Gefühl ich trage nicht genug zu unserem gemeinsamen Alltag bei. Ich fühlte mich quasi mangelhaft. Aber ich habe viele Eigenschaften außerhalb meiner Krankheiten. Das darf ich nicht vergessen. Ich bin eine würdige Person.
Mein Mann liebt Essen und liebt es gut zu essen, er hasst es, selbst in der Küche zu sein. Ich bin eine leidenschaftliche Köchin und immer an neuen Ideen interessiert. Er ist immer dankbar, wenn ich etwas schönes koche. Es gibt nicht jeden Tag ein Menue, manchmal muss es das Allereinfachste sein. Aber das ist in Ordnung. Anstatt sich schuldig zu fühlen, denke ich, ist es wichtiger, alle Anstrengungen des anderen anzuerkennen und nicht zu vergessen, unsere Dankbarkeit auszudrücken. Ein Dankeschön macht so viel aus.
Man sieht dir nichts an
Auch dein Partner*in sieht deine Symptome nicht.
Deine Ressourcen sind begrenzt
Rechtzeitig Bescheid sagen und planen, können Enttäuschungen vorbeugen
Nimm nicht an, dass...
Sondern rede klar und deutlich über gegenseitige Bedürfnisse
Gespräch
Wie sind unsere Kommunikationsfähigkeiten in dieser Beziehung? Gibt es Bereiche, in denen wir wirklich gut kommunizieren können? Können wir diese Fähigkeiten für andere Bereiche nutzen?
Angst
Haben wir Angst, manche Themen anzusprechen? Wie können wir uns dabei gegenseitig helfen, die Angst zu überwinden?
Helfen
Wie kann ich dir jetzt und in Zukunft helfen? (In beide Richtungen, erinnerst du dich?)
Rollen
Haben wir Rollen in unserer Beziehung festgelegt? Müssen sie überprüft werden, damit wir zusammen klarkommen?
Interesse
Wie geht es dir? Du kannst auch spezifischer sein und fragen wie schlimm die Schmerzen heute sind. Das macht man am besten miteinander aus, mit welcher Fragen man sich nach dem anderen erkündigt.
Feuerglut
Wie können wir es schaffen, das Feuer in unserer Beziehung, trotz chronischer Krankheit, am Leben zu halten (ich meine nicht nur Sex oder Intimität, das ist ein Thema für sich Fibromyalgie und Sexualität). Wie können wir immer noch ein ebenbürtiges Paar sein?
Professionell
Benötigen wir professionelle Hilfe?
Manchmal kann es die Kommunikation auf die Sprünge helfen, wenn jemand Unbeteiligtes Ansätze sichtbar macht.
Nicht eure Fragen?
Diese Fragen funktionieren möglicherweise nicht für euch, aber helfen dabei, die Fragen zu triggern, die ihr stellen möchtet.
Die 5:1 Regel
John Gottman, ein amerikanischer Psychologe, hat sehr lange an einer Art Patentrezept für Beziehungen geforscht. Was dabei herausgekommen ist, ist die 5:1 Regel. Wie funktioniert das?
Eigentlich ganz einfach:
Es braucht fünf positive Interaktionen mit deinem Partner*in um eine negative Interaktion wieder auszugleichen. 5:1 Formel für die Liebe
Das klingt vielleicht nach einer Fastenregel, jedenfalls zu einfach um wirksam zu sein. Doch Gottman hat viele Paare vorrangig in Konfliktsituationen beobachtet, um diesen Formel aus glücklichen Beziehungen zu destillieren.
Also wenn ich meinen Mann unwirsch anspreche und unberechtigt kritisiere, bräuchte es vielleicht, ein Küsschen, eine Umarmung, ein Tee, ein schöngedeckten Tisch und ein offenes Ohr für ein Thema um das auszugleichen. Nur so als Beispiel. Klingt nach viel, aber ein Versuch ist es wert. Das gilt für alle Beziehungen aber bei uns sicher auch. Probiert´s mal aus.
Quellen:
Anke Diezemann, A. D. (o. J.). Schmerz und Sexualität. https://www.schmerzgesellschaft.de/. Abgerufen 6. November 2020, von https://www.schmerzgesellschaft.de/topnavi/patienteninformationen/besonderheiten-bei-schmerz/schmerz-und-sexualitaet
Hesse, C. H. & Krauter, R. K. (2019, März 11). https://www.deutschlandfunk.de/die-mathematik-der-liebe-ehe-geheimnis-liegt-im-5-1.676.de.html?dram:article_id=442868. https://www.deutschlandfunk.de/. https://www.deutschlandfunk.de/die-mathematik-der-liebe-ehe-geheimnis-liegt-im-5-1.676.de.html?dram:article_id=442868
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