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Orientierungslos
Darf es ein bisschen mehr sein? Ein bisschen mehr was: Krankheit, Behandlung, Einsicht, Dankbarkeit? Dieses Gefühl der Überwältigung und Überforderung hatte ich oft, denn ich habe -zig Methoden ausprobiert, um mich aus der Schmerzspirale herauszukatapultieren, oder wenigstens, um herauskrabbeln zu können. DER Weg aus dem Schmerz habe ich nicht gefunden, aber vieles probiert und manche Erkenntnis dabei gewonnen.
Zu meiner Fibromyalgie haben sich andere Kranheiten gesellt, die Schmerzen verursachen: Idiopathische Interkranielle Hypertension Was ist das?, Lichen sclerosus Was ist das?, Vulvodynie, Interstitielle Zystitis Was ist das?, Reizdarm mit Divertikeln Was ist das? und manches mehr. Das ist nicht ungewöhnlich. Fast alle Menschen mit Fibromyalgie, die ich getroffen habe, haben auch andere Krankheiten.
Hier ist eine unvollständige Sammlung der Methoden, die ich ausprobiert habe. Du kennst bestimmt einige. Was hast du ausprobiert und wie hat es geholfen?
Probieren geht über Studieren
- Akupunktur – es dauerte lang bis ich den richtige Behandler fand. Für die Gesamtsymptomatik der Fibromyalgie hilft das nicht, aber für spezifische Problembereiche schon
- Antidepressiva -Zunächst mal reagiere ich meistens paradox, also das Gegenteil von dem was erwünscht wird, passiert. Ich nehme zu, und habe so viele Nebenwirkungen, die mir das Leben sehr schwer machen und nicht nachlassen. War keine Lösung für mich
- Craniosacraltherapie – hat nur ganz kurzfristig geholfen, wenn überhaupt
- Dampfbad – Sauna geht nicht, aber Dampfbad empfinde ich als wohltuend. Wärme mag ich generell.
- Dauerduschen – War Teil einer stationären Therapie. Hat mir nicht geholfen. Wobei ich manchmal nachts langer unter der warmen Dusche stehe
- Entspannungstechniken – Autogenes Training, Progressive Muskelentspannung, Traumreisen. Ich habe mich sehr schwergetan, welche zu erlernen, mein ADS-Gerhirn ist hinderlich. Ständig verknüpfe ich Geräusche, Gerüche und Gefühle mit Gedanken. Die Anspannung wandert durch mein Körper und lässt nie ganz los. Ein Satz von einem früheren Autogenestraining hilft mir dennoch immer wieder – “Ich bin und bleibe ruhig und gelassen”
- Ernährungsumstellungen – Habe sehr viele probiert. Auch Beratung. Zurzeit überwiegend vegan, und glutenfrei, sehr viel Gemüse, scheint ganz gut zu sein
- Fasten – Ich faste 2 Mal im Jahr 4 Wochen (nie ohne ärztlicher Beratung nachmachen!!) Mir hilft das mit dem Arthroseschmerz, und der Verdauung, und ich fühle mich einfach besser danach
- Feldenkrais – hat nicht wirklich geholfen
- Gymnastik an Geräten – danach hatte ich immer sehr viele Schmerzen
- Heilpraktiker-Behandlung – War oft zu vielfältig und unübersichtlich
- Heubäder – habe ich nur ein Mal gemacht. Eigentlich bin ich allergisch, aber da ging es irgendwie. War ganz angenhem, kein langer Effekt
- Homöopathie – Habe eine wunderbare Hamöopathin, die auch als Ärztin ausgebildet ist. Nimmt sich Zeit und geht sehr auf mich ein. Ich weiß, viele halten das für Humbug. Mir tut´s gut
- Krankengymnastik – Da ich meine Physiotherapeuten jetzt seit 16 Jahren kenne, und sie mich, ist unsere Kommunikation gut und das funktioniert. Sie können auf mich eingehen
- Lymphdrainage – hilft. Ich habe Lymph- und Lipödeme, aber hauptsächlich hilft es wegen der Fibromyalgie. Normale Massage ertrage ich nicht.
- Manuelle Therapie – hat für ganz spezifische Probleme – HWS-Blockaden – geholfen. Hilft mir nicht viel bei der Fibromyalgie
- Medikamente – ich bin hochsensibel und habe von vielen Schmerzmitteln keine Schmerzlinderung gespürt, dafür viele Nebenwirkungen
- Meditation – Ist ähnlich wie mit den Entspannungstechniken, aber ich probiere es immer wieder. Ich habe es gern, wenn ich einer schönen, sanften Stimme zuhören kann.
- Moorsäckchen – hilft bei Unterleibsschmerzen
- Moxen – War zusätzlich zur Akupunktur, war zu vielfältig. konnte keine spezifische Wirkung feststellen
- Nordic Walking – Ich brauche eh ein Stock zum Laufen, zwei sind besser. Ist ein Form der Bewegung, die ich am ehesten auf meiner Art schaffen kann.
- Psychotherapie – hilft mir sehr. Ich habe ein sehr gutes Vertrauensverhältnis zum Therapeuten.
- Reflexzonenmassage – hilft wenn direkte Behandlung an betroffene Stellen nicht ertragen wird.
- Restorative Yoga – Was ist das? habe ich ein Mal in England mitgemacht. Ich habe das hier noch nicht gefunden. Es hat mir sehr gut getan.
- Salben – helfen kaum
- Schmerztabletten – Siehe Medikamente
- Schröpfen – habe ich nur stationär erfahren, hat bei Rückenschmerz geholfen
- Selbsthilfegruppe – Ist eine gute Sache Selbsthilfegruppe Lagerfeuer
- Nahrungsergänzungsmitteln – Magnesium, Vitamin D und Vitamin B12 (vegane Ernährung) schaden nicht, aber mein Vitamin D Mangel ist hartnäckig
- Tagebuchschreiben – gelingt mir nicht konsequent, hilft aber Fokus zu verschieben
- Kreatives Schreiben – Gedichte, Geschichten, ja lenkt ab und ist eine Ausdrucksmöglichkeit.
- Tens – hat nicht geholfen
- Thermalbad – das warme Wasser ist angenehm. Der Aufenthalt darin extrem anstrengend. Fördert den Blasendrang. Düsen verursachen teilweise Schmerzen
- Traumdeutung – hilft mir nicht wirklich. Ich kann mich selten an einem Traum erinnern
- Umschläge – haben nicht geholfen
- Wärmekissen – mag ich sehr gerne.
- Wassergymnastik – normale Schwimmbäder sind zu kalt. Thermalbad siehe oben. Ich probiere es aber immer wieder
- Yoga… geht gar nicht. Ich komme nicht auf den Boden und nicht wieder hoch und kann fast alle Positionen nicht halten.
katapultiert hat mich gar nichts, krabblen kann ich schon manchmal.
Diese Person von “vorher” ist gestorben
Mein wichtigste Erkenntnis in den letzten 16 Jahren seit der Diagnose war, dass ich die Vorstellung fallenlassen muss, mit irgendwelchen Behandlungen meine Symptome vollkommen beseitigen zu können, und ganz gesund zu werden. Damit meine ich, dass ich so werde wie vorher. Diese Person von “vorher” ist gestorben und musste betrauert werden. Deshalb mache ich keine Behandlungen, die meine Symptome kaum beeinflussen oder gar schlimmer machen. Dazu zählen auch Schmerzmedikamente. Es wird kein Wunder geschehen. Ich versuche mein Leben so zu gestalten, dass ich meine Symptome einigermaßen kontrollieren kann. Therapeuten helfen mir dabei. So abgedroschen das klingt, ich versuche das Beste aus meinen jetzigen Leben mit Krankheit zu machen. Manchmal ist das Beste ganz bescheiden.
“Illness and death are not signs of failure; what is a failure is not living. Our goal is learning to live – joyously and lovingly.”
Dr. Bernie Siegel
“I need you to change your face!”
Meine Stiefmuttter, Tina, die leider vor 2 Jahren gestorben ist, sagte oft zu mir wenn wir unterwegs waren: “I need you to change your face!” Was so viel heißt wie: “Dein Gesichtsausdruck zeigt nicht das, was ich sehen möchte.” Wir waren vielleicht beim Shoppen und sie wollte etwas kaufen. Ich muss manchmal ziemlich mißbilligend geschaut haben.
Auch im Umgang mit der Krankheit sollte ich manchmal mein Gesichtsausdruck ändern, besser gesagt, wie ich denke. Wie meine ich das?
Wenn ich denke, “Oh Mann heut ist so ein Scheißtag, mir tut alles weh, ich kann gar nichts machen, ich bin so erschöpft, ich mag dieses Leben nicht.” Dann ist der Tag im Prinzip schon gelaufen. Wenn ich aber denke: “Heute sind die Schmerzen schlimm, aber es wird wieder ein wenig abnehmen, es wird mir besser gehen als jetzt.” Dann geht es mir nicht ganz so schlecht, und ich kann versuchen, den Tag zu gestalten, dass er so erträglich wie möglich ist. Ja ist schwierig ich weiß, denn der Regisseur hält sich doch nicht immer an meinem “Drehbuch”, aber immerhin gestalte ich mit.
Warum soll ich dankbar sein?
Dankbar zu sein ist auch so ein Punkt. Ja klar, ich habe die Krankheit nicht ausgesucht, nicht gewählt. Was ich wählen kann, ist wie ich damit umgehe. Wenn ich eine Ernährung finde, die mir gut tut; mich so bewege, dass es geht; mein Tag in kleinen bewältigbaren Blöcken mit Ausruhzeiten unterteile; die kleinen Dingen wieder sehe: blühende Pflanzen, Vögel, die in den Garten kommen, dann tue ich viel für mich – ich passe auf mich auf. Wenn ich meine Augen für die Kleinigkeiten öffne, kann der Tag besser werden. Ich bin nicht der Krankheit vollkommen ausgeliefert. Heilen kann ich mich nicht, aber ich kann mich so verhalten, dass manches erträglicher wird und ich auch Freude empfinden kann. Davon darf es immer ein bisschen mehr sein! Das ist ein Grund, trotz allem, dankbar zu sein.
Natürlich gelingt mir das nicht immer gleichermaßen. (Fragt mein Mann!)
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