Bin ich krank oder gesund?

Was ist Gesundheit?

Wie fühlt sich Gesundheit an?

Früher verstand ich nicht warum Leute mir zum Geburtstag “vor allem Gesundheit” wünschten. Sie wussten wovon sie redeten, ich noch nicht. Ich empfand mich in jungen Jahren als gesund. 2020 als es losging mit der Pandemie, Lockdown usw. machten viele ganz neue Erfahrungen. Sie entdeckten neue Hobbies, gestalteten ihren Garten um, sie räumten alle Schränke auf. Home-Office, Home Schooling, Online Studium und vor allem Krankenpflege brachten andere an ihre Grenzen oder darüber. Das waren die Nebenwirkungen einer Krankheit. Mit der Gesundheit ist es wie mit der Zeit. Wir schätzen beide erst, wenn wir sie nicht mehr haben. Erst nach einer überwundenen Krankheitsphase merken wir, wie wichtig Gesundheit für uns ist, und wie sie sich anfühlt. Vorher ist gesund zu sein normal. Wovon ist die Rede bei diesem Wunsch nach Gesundheit?

Salutogenese

Salus=Gesundheit (lat.)

Genesis = Entstehung (griech.)

Der Begriff beschreibt die Entstehung und die Erhaltung der Gesundheit. In den 70er Jahren hat sich ein israelischer Medizinsoziologe Aaron Antonovsky gefragt, wie die Menschen immer wieder gesund werden. Davor hatte man sich nur mit der Pathogenese befasst – Pathos = Leiden/Krankheit, warum Krankheiten entstehen. Antonovsky befand, dass Gesundheit nicht ein Zustand ist, sondern ein Prozess. Wir pendeln sozusagen ständig zwischen Gesundheit und Krankheit. Das nannte er das Gesundheits-Krankheits-Kontinuum. Das heisst, wir sind nie ganz gesund, aber auch nie ganz krank. Mein wichtigste Erkenntnis und Botschaft dabei ist: Wir chronisch erkrankten sind nicht nur krank.

Zugehörigkeit

Antovovsky erzählt weiter von einem Kohärenzgefühl. Damit meint er ein Zugehörigkeitsgefühl und eine tief empfundene Zufriedenheit. Diese Gefühle können wir empfinden, wenn wir gesund sind. Wie kommen wir zu diesen Gefühlen? Folgende drei Faktoren seien dafür wichtig:

Gesunde Gefühle

3 wichtige Faktoren:

  • Verstehbarkeit – Wir können die Zusammenhänge zwischen den Geschenissen, die das Leben für uns bereithält, zusammenstellen und verstehen
  • Bewältigbarkeit – Wir können mit diesen Geschenissen und was daraus entsteht, umgehen
  • Sinnhaftigheit – Wir kommen zu der Überzeugung, dass alles was passiert einen Sinn hat. Dadurch können wir akzeptieren was ist.

Puh, gar nicht so einfach oder?

Gehen wir auf Schatzsuche

Antonovsky meinte, wir sollten auf Schatzsuche gehen, um diese Gefühle zu bekommen. Er nannte die Schätze “Attraktoren”. Das sind attraktive Gesundheitsziele, wofür es sich für uns lohnt, alle unsere Ressourcen bereitzustellen. Anders gesagt, es ist weniger attraktiv für uns, uns bei der Krankheitsbewältigung von Verboten und Einschränkungen leiten zu lassen.

Ein Spaziergang

Ein Beispiel dafür aus meinem Alltag ist, jeden Tag spazieren zu gehen. Kurz nachdem die Diagnose Fibromyalgie gestellt wurde,  habe ich diverse Sportarten ausprobiert und viel unter den Auswirkungen gelitten. Es frustrierte mich sehr und machte mir meiner kranken Situation sehr bewußt. Dann kam ein Hund in unsere Famile und wir alle hatten die Aufgabe, ein Mal am Tag mit ihm spazieren zu gehen, also auch ich. Unser Hund “Toni” ist so voller Lebensfreude. Ich fuhr mit ihm an schöne Stellen, um dort spazieren zu gehen. Ich war in der Natur, erlebte die Natur viel bewusster und bemerkte, dass das mir gut tut, bis heute. Die Spaziergänge klappen nicht jeden Tag gleich gut – mittlerweile mit Stock und manchmal sogar mit Rollator, aber ich bin fast jeden Tag irgendwie draußen an der frischen Luft. Das ist gesund.

Aaron Antonovsky

„Wir sind alle sterblich. Ebenso sind wir alle, solange noch ein Hauch von Leben in uns ist, in einem gewissen Ausmaß gesund.“

Augenblick der Gesundheit

Es gibt sicherlich Augenblicke in meinem Leben, in denen ich mich vollständig körperlich, geistig und seelisch wohlfühle. Wenn ich Zeit mit meinem Mann, meiner Tochter oder einer Freundin verbringe, wir uns gut unterhalten und meine Symptome mich kurz in Ruhe lassen oder ich kurz davon erfolgreich abgelenkt werde. Diese Momente sind äußerst rar. Es gibt mehr Momente in denen ein Essenz von diesem Gefühl da ist, und das finde ich auch schon gut. Ich versuche mich darin zu trainieren, diese Momente bewusst wahrzunehmen. Insofern kann ich dem Konzept Gesundheit-Krankheit-Kontinuum was abgewinnen. Würde ich mich in jeder Minute des Tages nur krank fühlen und das auch wahrnehmen, wäre das Leben für mich nicht lebenswert.

Finding Balance & Peace

Die WHO hat auch logischerweise eine Definition von Gesundheit: Gesundheit ist ein Zustand des vollständigen körperlichen, geistigen/seelischen und sozialen Wohlbefindens und nicht nur das Fehlen von Krankheit oder Gebrechen. Bemerkenswert finde ich die gleichwertige Einbeziehung von Körper, Geist und Seele. Im Englischen gibt es den Begriff Mental Health, was viel öffentlich wirksame Aufmerksamkeit bekommt, seitdem Kate und William ihre Kampagne #oktosay starteten in 2017. Neulich hörte ich auf Deutschlandfunk ein Interview, in dem junge Leute über die Auswirkungen der Corona Pandemie gesprochen haben. Eine junge Frau sagte, es sei gut, dass wir heutzutage über Mental Health/ Geistige Gesundheit offen sprechen können, und Hilfe erwarten können. Das Thema ist nicht völlig ent-stigmatisiert aber auf jeden Fall auf einem guten Weg dorthin.

Was ist Krankheit?

Eine Störung

Ich glaube man kann es sich nicht so einfach machen und sagen, Krankheit ist eine Störung des Körperlichen, geistigen und seelischen Wohlbefindens. Wobei sie durchaus den Körper, den Geist und die Seele durcheinanderbringt und für Systemfehler sorgt. Aber das ist nicht alles.


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Was bedeutet Krankheit für dich?<br>x

Einschränkungen

Meistens verbinden wir Krankheit mit Einschränkungen, erzwungenem Rückzug, Leistungsabfall, Schmerzen, Symptomen, die uns das Leben schwerer machen und möglicherweise nicht nur uns, sondern die Menschen um uns herum mit belasten. Also alles in allem nichts Gutes. Natürlich ist deutlich zu unterscheiden zwischen einem kurzen Infekt, der uns für ein paar Tage lahmlegt, und einer chronischer Krankheit, die unser Leben auf den Kopf stellt.

Umsorgt sein

Viele erinnern gerne daran, wie es war als Kind krank zu sein. Mama oder Papa umsorgten uns liebevoll, kochten das, worauf wir Appetit hatten, nahmen sich Zeit für uns. Und das Beste – wir konnten uns im Bett aufhalten. Nicht jedem ging es so gut. Manchmal ist eine Krankheitsphase auch eine unerwartete Chance, über das eigene Leben nachzudenken und vielleicht etwas zu verändern.

Ich war da

Einerseits haben mir die Fibromyalgie und andere Krankheiten, die Energie genommen, die ich gebraucht hätte um körperliche, sportliche Aktivitäten mit meiner Tochter zu unternehmen, als sie jünger war. Glücklicherweise konnte mein Mann diesen Part zumindest teilweise übernehmen. Andererseits ermöglichte mir die Krankheit da zu sein. Ich glaube das war sehr wichtig. Ich war nicht 100% Leistungsfähig, energisch aufgeladen, aber ich konnte spuren, reagieren und zuhören.

Ungleichgewicht

Was ist also Krankheit? Ich denke sie ist ein Ungleichgewicht in uns. Etwas oder mehrere Dinge sind aus dem Lot. Beim krank werden, spielen auch unsere Umwelt, unser Lebensstil und die Gene eine Rolle.

Was bedeutet Krankheit für dich?

Epigenetik

Das Wort „Epigenetik“ setzt sich aus den Wörtern Genetik und Epigenese zusammen. Das bedeutet Entwicklung eines Lebewesens.

Sie ist nicht zu verwechseln mit der Genetik. Die Genetik befasst sich mit dem Aufbau des Erbguts nach dem genetischen Code. Das ist ein starres System, das nicht formbar ist. Die Epigenetik ist im Bereich der Biologie angesiedelt und ist so eine Art Zusatzgenetik. Hier wird davon ausgegangen, dass Faktoren außerhalb vom Körper, die aber Einfluss auf den Körper nehmen wie Ernährung, Stress, psychische Belastungen, Gifte einen bemerkenswerten Anteil an der Aktivität der Gene haben. Die Epigenetik geht davon aus das unsere Gene von diesen Faktoren beeinflüsst werden, gecoacht werden sozusagen. Das bedeutet, wir sind nicht einfach der Summe unserer Gene und ihnen ausgeliefert. Alles was wir essen, was wir tun, und was uns widerfährt kann die Aktivität unserer Gene beeinflüssen. Wir haben die Chance, unsere Situation zu verbessern.

Antonovsky erzählte, dass etwas Unglaubliches 1970 geschah, was ihm nachhaltig prägte und zur Entwicklung des Salutogenetischen Models 1979 führte. Was war das? Er führte eine Untersuchung über das Klimakterium durch. Insbesondere wie sich Frauen verschiedener Ethnien sich in dieser Lebensphase anpassen. Eine Frage war, ob sie sich in einem Konzentrationslager aufgehalten hatten, mit Ja/Nein zu beantworten. Das Erstaunliche war, dass 29 Prozent der Frauen, die ein KZ überlebt hatten, über eine gute psychische Gesundheit verfügten. Er fragte sich, wie das sein konnte.  

Wir sind nicht ausgeliefert

“Pain is a portal to transformation, It does not knock politely.”

Lucy H. Pearce, Medicine Woman

“A chronic invalid has but one thought about his identity: He doesn't want to be a sick man. The rest of the discussion seems frivolous to him-an immense priviledge of the healthy. Still, I'm a novelist, and so I pursue it.”

Nancy Horan

“The secret of making lasting change is to acknowledge and accept that real change takes time and patience. We didn't get chronically ill overnight..."

Dana Arcuri

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Video Dr. med. Petra Wiechel von der Swiss Mountain Clinic hinzugefügt am 11.06.2022

 

Quellen:

Badenschier, F. B. & Schwarz, T. S. (2020, 29. April). Epigenetik. https://www.planet-wissen.de. Abgerufen am 23. März 2022, von https://www.planet-wissen.de/natur/forschung/epigenetik/index.html

Goddemeier, C. G. (2019, August). Aaron Antonovsky: Vater der Salutogenese. https://www.aerzteblatt.de/. Abgerufen am 23. März 2022, von https://www.aerzteblatt.de/archiv/209251/Aaron-Antonovsky-Vater-der-Salutogenese

WHO verweist in neuem Bericht auf ungleiche gesundheitliche Fortschritte in Europa und fordert zur Messung des Fortschritts eine genauere Erfassung des Wohlbefindens. (2013, 13. März). https://www.euro.who.int. Abgerufen am 24. März 2022, von https://www.euro.who.int/de/media-centre/sections/press-releases/2013/03/new-who-report-reveals-unequal-improvements-in-health-in-europe-and-calls-for-measurement-of-well-being-as-marker-of-progress

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